Ägyptischer Elektro-Streitwagen geht in Stellung

Ende 2022 startete die „MCV Deutschland GmbH“ als Tochter des ägyptischen Busherstellers MCV (Manufacturing Commercial Vehicles) ihre operativen Omnibus-Aktivitäten im Sauerland. Das Team besteht aus erfahrenen Busexperten, die gut bekannt sind und direkt an der Entwicklung des Elektrobusses für Deutschland beteiligt sind. Jetzt zeigte das Unternehmen seine Produktion in der Nähe von Kairo und ermöglichte einen ersten Blick auf den Bus, der dann auf der Elekbu in Berlin stehen soll.

Der Film „Die zehn Gebote“ mit Yul Brynner von 1957 hat den Streitwagen ägyptischer Machart weltberühmt gemacht. Obwohl sich die Wissenschaftlerin und Ägyptologin Heidi Köpp-Junk für ihre neue Studie an der Universität Trier nur auf eine besondere Variante des Streitwagens konzentriert, dürften ihre Schlussfolgerungen auch für die Konkurrenten des Pharaonenreichs in Mesopotamien, Syrien oder Kleinasien gelten, wie die Zeitung „Die Welt“ unlängst berichtete: „Der Streitwagen verband modernste Technik und große Praxistauglichkeit mit Komfort und hohem Sozialprestige. Und mit Freizeitspaß. Versuche mit Nachbauten haben gezeigt, dass man mit einem Streitwagen die bis dahin für unvorstellbar gehaltene Geschwindigkeit von 40 Stundenkilometern erreichen konnte“.

Nun ist ein Stadtbus heutzutage vielleicht kein echtes Statussymbol, aber einen kämpferischen Impetus hat dieser ägyptische Streitwagen schon, will er doch mit seinen Schöpfern dem hiesigen, hochpreisigen Markt für Elektrobusse den Kampf ansagen. Dazu haben drei ehemalige Iveco-Busexperten aus Ulm allen Mut zusammengefasst, und sich auf ein „ägyptisches Abenteuer“ eingelassen. Mit einem großen Committment auf Herstellerseite, wie wir live erleben konnten.

Die feine blaue LED Leiste unterhalb der Dachrandverkleidung könnte zum Design-Markenzeichen des MVC C127 EV werden.

Durchdachtes Konzept des Busses

Die ersten Eindrücke, die wir von dem neuen Fahrzeug im Prototypen- bzw. Aggregateträgerstadium in Kairo beim Hersteller sehen konnten, lassen auf einen sehr durchdachten Elektrobus hoffen, der zwar keine „revolutionären“ Neuheiten wie Batterien im Boden mit sich bringt, aber alles bietet, was auch der Wettbewerb vorweisen kann und an vielen Stellen sogar einen Schritt weitergedacht wurde – was den deutschen Markt betrifft. Hier dürfte sich die langjährige Erfahrung der Macher hinter dem neuen Player für Deutschland in der „Germanisierung“ französischer und italienischer Stadtbusse zeigen. Der Preis wird bei einer Produktion in einem Land mit Löhnen, die nur ungefähr 20 Prozent deren in Deutschland betragen, wie CEO Karim Ghabbour und der globale Verkaufsleiter Rafik Nabil Mikhail bei der Präsentation des Busses in Kairo unter Beweis stellte.

Da wäre zunächst das Gerippe aus Edelstahl mit seiner leichten Aluminium-Beplankung die nicht völlig verschraubt, sondern ähnlich wie bei Solaris unter die Scheibe gesteckt und dann einfach von hinten verschraubt und so einfach zu tauschen ist. Die Radkästen sind völlig verkleidet, so dass die empfindsamen Federbälge nicht verletzt werden können. Und auf die Räder der konventionellen Niederflurportalachse des Typs ZF AV 133 passen sowohl 275er Stadtreifen als auch 295er Überlandpneus. Überhaupt haben sich die Macher des deutschen Streitwagens um europäische Komponenten bemüht, die an allen Ecken und Kanten sichtbar sind. Statt wie im Heimatmarkt auf CATL Batterien setzt MCV Deutschland auf die neueste NMC-Akku-Generation (1C-ladefähig mit bis zu 150 Kilowatt) vom französischen Hersteller Forsee Power. Bei der Klimaanlage setzt man wie Mercedes-Benz (nicht umsonst ist MCV in Ägypten Mercedes Generalimporteur!) in Gestalt einer CO2-Wärmepumpe auf hessische Wertarbeit von Konvekta.

Bei der Konstruktion des Gerippes, das sich wesentlich von der ägyptischen Hochbodenvariante des Elektrobusses unterscheidet, fällt auf, dass statt eines vollen „Motorturms“ nur ein schmaler, aber massiv ausgeführter „Elektrokabelkasten“ in der linken Heckecke verbaut ist, der die orangefarbenen Hochvoltkabel sauber vom Innenraum trennt. So fällt nur ein Sitzplatz weg, insgesamt sind es beim Zweitürer 29 mögliche Sitze (viele davon als Cantilever-Versionen) und 88 Personen maximal, beim Dreitürer dann 37 Sitze und 90 Personen (allerdings mit der maximalen zulässigen Zahl von 8 Personen auf den Quadratmeter gerechnet). Das sind gute Werte, und sie beziehen sich auf die maximale Batteriebestückung mit 462 Kilowattstunden. Die Kabel unter dem Fahrzeug werden zudem nicht einfach unter den Boden „geklemmt“ sondern sauber im Gerippe verlegt, um so bei Bodenkontakt nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Um allzu große Bewegungen des Aufbaus zu verhindern ist auf Wunsch auf das elektronisch gesteuerte CDC-Fahrwerk von ZF zu haben, das sich vor allem für das große Batteriepaket oder die Überlandversionen des Busses anbieten dürfte.

Solides Design mit feinen Höhepunkten

Das Design des MCV C 127 EV ist durch und durch solide, wenn auch eher zurückhaltend zu nennen. Leider konnte der finale Wagen für die Elekbu in Berlin noch nicht gezeigt werden, aber die Computergenerierten Bilder lassen ihn sehr gut erkennen. Das große, freiliegende Bugschild erinnert ein wenig an den neuen Ikarus, die exzessiven Radkasten-Erweiterungen an den Solaris Urbino. Sie liegen heute voll im Trend. Ein Elektrobus von Welt zeigt seine rollende Grundlage mit Stolz. Stolz drückt sich auch in der kecken Ornamentik der Dachrandverkleidung aus, die über der Tür 2 so etwas wie eine „Grounding Line“ darstellt, und dem länglichen Bauteil so die Langeweile nimmt. Besonders in Verbindung mit der blauen LED-Leiste unterhalb wird dieser kleine „Design-Gag“ womöglich markenprägend. Weiterer Vorteil, sollten diese LEDs in Deutschland tatsächlich zulassungsfähig sein: in Verbindung mit dem Orlaco-Kameraspiegelersatzsystem mit seiner Restlichtverstärkung dürften die Bereiche neben dem Bus taghell erleuchtet sein. Das Heck ist wiederum nüchtern und funktional gestaltet, ohne stilistisch dabei abzuheben. Insgesamt ist der MCV C127 eine freundliche und grundsolide Erscheinung mit europäischem Einschlag, der sicher seine Freunde finden dürfte.

Das Heck des nicht ganz finalen Aggregateträgers, das noch leicht geändert wird.

Antrieb und Batterien

Ein Elektrobus zeichnet sich im Idealfall vor allem durch seinen lokal emissionsfreien Antrieb aus. Die erfahrenen MCV-Macher setzen hier auf robuste Zentralmotor-Technik von Actia, die zudem mit der hocheffizienten Permanentsynchron-Technik arbeitet, die sich gerade bei niedrigen Drehzahlen und Geschwindigkeiten. Zudem ist die feste Verbindung von E-Motor und Gerippe eine sehr vertrauenserweckende Liaison, da das Aggregat nicht den ständigen Vibrationen eines radnahen oder Radnabenmotors ausgesetzt ist. Die Spitzenleistung von 250 kW (340 PS) ist dabei der AVE von ZF ebenbürtig, das maximale Drehmoment am Motor beläuft sich auf 3.000 Newtonmeter, am Rad dann mit der Standardübersetzung von 5.73 des konventionellen Differenzials auf rund 17.000 Nm (statt 22.000 bei der ZF AVE), das dürfte auf jeden Fall für den Stadtbuseinsatz oder auch auf der Überlandlinie (für die besonders der ebenfalls schon für 2024 angekündigte Wasserstoff Low Entry geeignet erscheint).

Die „ZEN Plus“-Lithium-Batterien des französischen Herstellers Forsee (Iveco Lieferant) basieren auf der in Europa bevorzugten NMC-Chemie (Nickel Mangan Kobaltoxid), ob langfristig auch robustere und etwas preiswertere LFP (Lithium Eisenphosphat) Akkus vom MCV chinesischen Hauslieferanten CATL lieferbar sein werden, war in Kairo nicht zu erfahren. Passen würde das zumindest zum Konzept des „Value for Money“, aber die Konzeption des Angebotes ist noch nicht zu 100 Prozent final zu nennen. Lieferbar sind drei Batteriepakete von 308 über 385 bis zu maximal 462 Kilowattstunden, die Energiedichte liegt bei stolzen 180 Wh/kg. Dabei lassen sich alle Batterien mit bis zu 150 kW Wechselstrom über CCS2 laden (bei 1C Ladeleistung, Stecker über VA oder im Heck) nur die kleine Vier-Modul-Lösung sollen auch Ladeschienen und fahrzeugfester Pantograph erhältlich sein. Insgesamt also ein robuster Antrieb mit erprobten Komponenten, bei denen Kunde kein Abenteuer eingeht.

Global Player aus Afrika

MCV (Manufacturing Commercial Vehicles), 1995 gegründet, ist laut eigener Aussage „der führende Hersteller von Nutzfahrzeugen (Omnibusse und Lastkraftwagen) im Nahen Osten und in Afrika“ mit Sitz in Kairo, Ägypten, das Produktionswerk liegt rund 50 Kilometer ausserhalb Richtung Nordosten. MCV bietet seinen Kunden ein breites Spektrum an Stadt-, Überland- und Reisebussen (auch Doppeldecker) sowie Lastkraftwagen für die unterschiedlichsten Anwendungen, häufig auf Mercedes-Chassis als langjähriger Partner – für England und Hong Kong fertigt man vor allem auf Volvo-Basis.

MCV beschäftigt weltweit etwa 6.000 Mitarbeiter und verfügt über eine theoretische Produktionskapazität von 10.000 Bussen (derzeitige Produktion bei rund 6.000 Bussen) und 1.500 Lastkraftwagen sowie Aufbauten, die vor allem in robuster Bauweise für die anspruchsvollen afrikanischen und asiatischen Märkte konzipiert sind. Der Hersteller ist international in mehr als 50 verschiedenen Ländern rund um den Globus präsent und exportiert ca. 60 Prozent seiner Jahresproduktion.

Das MCV Team in Kairo (v.l.n.r.): Rafik Nabil Mikhail (Bus Sales and Marketing Director MCV global), Karim Ghabbour (CEO MCV), Pierre Dellori (Geschäftsführer MCV Deutschland GmbH), Jochen Grau (Marketing und Presse MCV Deutschland GmbH), Uwe Schneider (Service und After Sales MCV Deutschland GmbH).

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